Ralph Kerstner

Ein Bogen Papier, reinweiß, ohne Farbe – das ist der Werkstoff, aus dem ein Großteil der Arbeiten von Ralph Kerstner besteht. Und dennoch sind sie äußerst spannungsreich, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Papier wurde von Kerstner bis an die Grenzen des technisch machbaren bearbeitet, geprägt, gedehnt, geschlitzt oder gefaltet. Das Ergebnis sind Prägungen und Schnittarbeiten von beeindruckender Tiefe und Präzision. Die Kompositionen spielen oft mit geometrischen Grundformen in Varianten, Wiederholungen oder singulär exponiert. Die Arbeiten sind konsequent auf das Wesentliche reduziert, nicht nur im Material, sondern auch konzeptionell und kompositorisch durch und durch minimalistisch, dennoch begegnen sie dem Betrachter ausgesprochen vielfältig und lebhaft. Licht und Schatten zeichnen die scharfkantigen Linien der Prägungen und Faltungen nach und verleihen ihnen je nach Perspektive, Standort, Tageszeit und Beleuchtung einen immer wieder wechselnden Charakter. Mal betonen sie die handwerkliche Präzision, lenken den Fokus auf die geometrische Figur, dann wieder erscheint das Zusammenspiel dynamisch, flirrend, fast bewegt. Ein weißer Bogen Papier ohne Farbe, in dem es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.

Die Liebe zur Materialität und seine Neigung, die Grenzen des technisch möglichen auszuloten, kommen bei Kerstner nicht von ungefähr. So ist der 1953 in Grafschaft geborene Künstler ursprünglich in einem technischen Beruf zuhause, arbeitete viele Jahre als Ingenieur, bevor er sich als Schüler von Merja Herzog-Hellsten an der Frankfurter Städelschule der freien Kunst zuwandte. Seine Begeisterung für den niederländischen Universalkünstler Theo van Doesburg und andere Mitglieder der Gruppe de Stijl haben ihn in seinem Streben nach strenger Reduktion und dem Verzicht auf alles Überflüssige maßgeblich beeinflusst. Zugleich liegt es nahe, Kerstner in einer Tradition der Zero-Kunst zu verorten – die Parallele zu Material und Technik von Uecker ist offenkundig – dennoch sind Kerstners Prägungen alles andere als Zero, vielmehr bewegen sie sich in einem ganz eigenen Feld zwischen Konkreter Kunst und Abstraktion, sind bewusst komponiert, zeigen mitunter gar gegenständliche Motive. Die Arbeiten waren bereits in zahlreichen Ausstellungen von Berlin bis St. Tropez zu sehen und sind in renommierten privaten Sammlungen vertreten.

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A sheet of paper, pure white, without colour – this is the material from which many of Ralph Kerstner’s works are made. And yet they are extremely tense, in the truest sense of the word, because Kerstner has processed, embossed, stretched, slit or folded the paper to the limits of what is technically possible. The results are engravings and cuttings of impressive depth and precision. The compositions often play with basic geometric forms in variations, repetitions or singularly exposed. The works are consistently reduced to the essential, not only in terms of material, but also conceptually and compositionally thoroughly minimalist, yet they engage the viewer in a distinctly varied and lively way. Light and shadow trace the sharp-edged lines of the embossing and folding, giving them an ever-changing character depending on the perspective, location, time of day and lighting. Sometimes they emphasise the precision of the craftsmanship, drawing attention to the geometric figure, while at other times the interplay appears dynamic, shimmering, almost moving. A white sheet of paper without colour, in which there is always something new to discover.

Kerstner’s love of materiality and his tendency to explore the limits of what is technically possible do not come about by chance. Born in Grafschaft in 1953, the artist originally came from a technical background, working as an engineer for many years before turning to fine art as a student of Merja Herzog-Hellsten at the Städelschule in Frankfurt. His enthusiasm for the Dutch universal artist Theo van Doesburg and other members of the de Stijl group was a major influence in his quest for strict reduction and the elimination of all superfluous elements. At the same time, it makes sense to locate Kerstner in the tradition of Zero art – the parallels to Uecker’s material and technique are obvious – yet Kerstner’s influences are anything but Zero. Rather, they occupy a very distinct field between Concrete Art and Abstraction, are consciously composed, and sometimes even show representational motifs. The works have been shown in numerous exhibitions from Berlin to St. Tropez and are represented inrenowned private collections.

»Der Reiz liegt in den Dingen, die eigentlich nicht gehen.«

6049Ralph Kerstner