Levke Leiß

Die Buntstiftzeichnungen der Berliner Künstlerin Levke Leiß (*1982) irritieren und erfüllen damit die vornehmste Aufgabe der Kunst. In einer das Verfahren der Lasurmalerei adaptierenden Technik trägt Leiß in ihren Bildwelten Menschen, Landschaften, Objekte und Tiere zusammen, die in selten erreichter Perfektion nahezu hyperrealistisch präsentiert werden. Dass sich bei dem Betrachter der Arbeiten dennoch unvermittelt ein Störgefühl einstellt, erreicht Leiß durch eine den voreingenommenen Erwartungen widersprechende Zusammenstellung verschiedener Elemente zu Szenarien, die zwischen gestörter Wirklichkeit und surrealen Welten zu verorten sind. Diese gestörten Welten zwingen den Betrachter dazu, das Dargebotene zu hinterfragen und sich auf die Suche nach der Ursache der Störung zu begeben.

Das Bild »Security« zeigt uns offenbar einen Bodyguard, der vor einem übergroßen Lamm positioniert ist, und provoziert den Betrachter, Fragen zu stellen. Sehen wir ein Lamm, das unserem Symbolverständnis folgend verletzbar und wehrlos ist und daher des Schutzes bedarf? Wird hier ein Opferlamm bewacht, nur um später seiner tragischen Bestimmung zugeführt zu werden, oder will uns das Motiv ermahnen, dass das Lamm Gottes äußeren Bedrohungen ausgesetzt ist und dringend aktive Anstrengungen erforderlich sind, um unseren Wertekanon zu bewahren? Es schließt sich zwingend die Frage an, warum in krassem Bruch mit unseren Erwartungen das Lamm in dieser Darstellung vergleichsweise wehrhaft erscheint und der Security-Mann in viel zu kleiner Dimension daherkommt. Warum sind die Verhältnisse hier auf den Kopf gestellt? Stimmt unser Verständnis von Symbolen in der heutigen Zeit noch, oder orientieren wir uns an längst verblichenen Mustern, die keine Gültigkeit mehr besitzen, wenn sie denn jemals zutreffend waren?

Nicht viel anders ergeht es uns mit dem Motiv »Sucher«. Wer verhüllt sich hier und warum? Das weiße Tuch erinnert an ein Gespenst, die Form aber auch an eine Burka. Beobachten wir hier ein Spiel, eine Demonstration oder einen Rollentausch? Wie würde dieses Bild auf uns wirken, wenn das Tuch schwarz und darunter nicht moderne Jugend- sondern traditionelle Frauenkleidung zum Vorschein käme? Wer sich auf die Bilder von Levke Leiß einlässt, beginnt einen inneren Monolog, an dessen Ende er stets klüger ist als vorher.

Die 1982 in Hamburg geborene Leiß studierte von 2002 bis 2007 Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Noch während des Studiums gründete Sie gemeinsam mit Karla Helene Hecker eine Werkstatt und legte damit den Grundstein für ihre gemeinsame Malerei – ein Projekt, das bis heute fortgeführt wird. Nach dem Diplom schloss sie von 2007 bis 2010 ein Meisterschülerstudium bei Prof. H.P. Adamski an. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Berlin, und sowohl ihre Buntstiftzeichnungen als auch die gemeinsamen Bilder mit Karla Helene Hecker waren bereits in zahlreichen Ausstellungen in Berlin, Dresden, Chemnitz, Potsdam, Karlsruhe und Miami vertreten.

Wer sich auf die Bilder von Levke Leiß einlässt, beginnt einen inneren Monolog, an dessen Ende er stets klüger ist als vorher.

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